Zurück zum Content

Gehste raus, triffste Leute (I.) – Die dicke Inderin

Da gibt es zum Beispiel die dicke Inderin. Ich kann sie bereits durch die Überwachungskamera heraneilen sehen. Das mechanische Auge unterteilt ihren Fluss in ein Staccato aus nur zwei Bildern pro Sekunde, was sie ein wenig bedrohlich wirken lässt, erinnert diese Repräsentation doch an gängige Stilmittel filmischer Geistergeschichten. Mein Körper setzt meinen guten Freund Adrenalin auf freien Fuß gen Blutbahn, noch angekurbelt durch das penetrante Klackern ihres stampfenden Schrittes auf dem billigen PVC-Boden vor meiner Tür. Es klopft kurz und fordernd an meiner Tür, ich hole noch Luft, um „Ja, bitte!“ zu sagen, da wird sie schon geöffnet. Da steht sie – umweht von einer Wolke des blumigsten Duftes und versteckt unter einigen Schichten schwarzen Kajals – meine dicke Inderin. Ganz in schwarz ist sie heute gekleidet, knallenge Jeans lassen keinen Zweifel an der Gewalt ihrer Statur und kontrapunktisch aufgetragene weiße Stilettos erklären das penetrante Klackern auf ihrem Weg zu mir.

Im Türrahmen zu meiner Linken baut sie sich auf, begradigt das Rückgrat, um jeden Millimeter ihres Körpers als Wand gegen mich zu nutzen – das zumindest verrät ihr Blick, der mich an einen jungen ungestümen Mustang erinnert, der unzähmbar über die Flure des urbanen Marburg galoppiert.

Natürlich weiß ich nicht, ob sie tatsächlich Inderin ist und ganz sicher verrät dieses Etikett mehr über mich als über sie, aber ich komme nicht umhin an Indien und die dort vorherrschenden Kasten zu denken, und ich komme auch nicht umhin, mich einer niederen Kaste zugehörig zu fühlen, da ihre ganze Attitüde den Willen zur Überlegenheit ausstrahlt.

Nun, ihr Problem ist ein geringes, ich kann ihr schnell helfen und erfahre dabei, dass sie ihre Kopierkarte nicht nochmal aufladen wird, weil sie „eh bald aus Marburg abhaut“, sie ist nämlich „fertig“. Ich bilde mir den Unterton, der eine Kampfansage vermuten lässt, wahrscheinlich ein, aber vielleicht auch nicht, schließlich ist das nicht das erste Intermezzo mit meiner dicken Inderin – schenke ich ihren Worten Glauben wahrscheinlich aber mein letztes.

2 Comments

  1. DaJunkie DaJunkie

    MOAR!

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *