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Körpererweiterungen

Medienwissenschaftler wissen um die allseits beliebte These (oder Wahrheit?) Medien seien Körpererweiterungen und ja, mag sein. Aber in den letzten vier Jahren ist mir noch keine stichhaltige Definition von „Medium“ untergekommen, weswegen ich heute gerne die These auf eine spezielle Monstrosität im scheinbar beliebtesten Freizeittreff der Postmoderne anwenden möchte: den Crosstrainer.

Der Crosstrainer ähnelt nicht unerheblich einem mittelalterlichen Foltergerät – oder einer Jahrmarktsattraktion, der Übergang ist da recht fließend. Man stellt sich darauf, beginnt langsam zu treten, folgt den vordefinierten Pfaden des Geräts und während man sich an die ungewohnte Bewegung und die schmerzenden Muskeln gewöhnt, bewundert man die blinkenden Lichter und maschinellen Aufforderungen a la „Press Quickstart“ oder „Choose Program“. Es spricht mit mir, es bewegt mich, ist unheimlich immersiv und… irgendwie wahnsinnig stupide. Da tritt man nun in die Pedale und kommt doch keinen Schritt vorwärts. Ein schweifender Blick durch die Reihen beruhigt ungemein, denn den anderen Schwitzenden geht es ähnlich. Im Gleichschritt marschieren wir also nach Nirgendwo und stählen unseren zum Verfall verurteilten Körper. Ist so ein Körper nicht unheimlich blöd? Mal im Ernst. Man muss ihn füttern, ihn waschen, ihm Gelegenheit zum Entleeren und zur Regeneration einräumen. Man muss ihn fordern, anziehen, ausziehen, hinsetzen, hinlegen, hinstellen, koordinieren. Hätte ich die Wahl, ich würde glatt den Körper ersatzlos gegen die Erweiterung eintauschen. Man würde Zeit, Energie, Geld und Nerven sparen, hätte man es nicht mit dieser biologischen Zeitbombe zu tun.

Aber da das nun nicht geht und ich auch irgendwie den Faden verloren hab und meine Akkuanzeige verkündet, dass ich mich gefälligst beeilen sollte (meine Erweiterung sollte auf jeden Fall ein perpetuum mobile sein) … ähm…wo war ich? Ach ja, ich schließe auf dem Crosstrainer gerne die Augen und stelle mir jene Szene aus Matrix vor, in der die Wächter in Zion einbrechen und die ganz harten Jungs in Transformer-artigen Robotern gegen die Meute antreten. Das wäre eine Körpererweiterung nach meinem Geschmack – aber wen würde ich dann abknallen?

1 kommentar

  1. omnikultur omnikultur

    Das hast du sehr schön beschrieben SuzieQ! Und ja, auch ich plädiere für MEHR Körpererweiterungen! Solange bis wir dieses lästige Ding endlich abgeschafft haben. Keine Essstörungen mehr, keine falsche Scham, überbordernde Arroganz, ewig langes Schminken usw.! Nur noch Intelligenz! 😉 Ein ganzer Rausch davon…

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