John Cleese spricht über Kreativität auf Youtube. Reingezogen an einem Sonntag. Zwischen Arbeit, die ich in der Nacht von Freitag auf Samstag nicht mehr tun wollte. 30 minütiger Vortrag, kurzweilig, witzig, intelligent. Nach 20 Minuten fahre ich den zweiten Computer schon einmal hoch, um die letzen 10 Minuten des Vortrags effektiver zu nutzen. John Cleese spricht von Freiräumen, die man sich schaffen muss, von Kreativität, die nur in der Isolation gedeihen kann, von der Offenheit gegenüber Fehlern, die man nur zulassen kann, wenn der Kopf frei ist.
Mein Kopf ist dicht. Ich lasse die Dinge schleifen, und erledige nur gerade so viel, dass man mir nichts vorwerfen kann. Ich erfülle Aufgaben zur Zufriedenheit der anderen, denn vor meinem inneren Auge schwebt eine Deadline, die uneinhaltbar ist. Nach fünf Tagen habe ich frei. Die Freiheit ausgelaugt zu sein.
Ich begebe mich nach draußen, um in Fahrt zu kommen. Zwei Ziele: Bewegung an frischer Luft und nebenbei ein paar Aufgaben erledigen. Ich bin nicht die einzige. Überall drängen andere Körper um mich herum, die dasselbe tun. Die zu zweit sind, treiben sich gegenseitig durch die Kaufhausgänge der Elektronik-Kathedrale: „1000 Euro? Da spar ich doch lieber das Geld für unseren Urlaub. – Urlaub? Hatte ich schon. Da brauch ich nicht für sparen.“ Ich weiche aus und dränge ab. Eine Stunde halte ich es aus.
Draußen regnet es ohne nass zu werden. Der zweite Zwischenstopp ist kleiner, deshalb enger und trotz niedlicher bunter Accessoires, mit denen man Liebe schenken kann, immer noch genauso hektisch: „Na schau doch mal! Wie niedlich… Wenn das nicht was für die XY wäre…“ Da mir der Anspielpartner für solche Konversation am heutigen Tage fehlt, verlasse ich den Laden.
Und suche eine Nebenstraße. Ruhe. Galerien, in denen weiße Leinwände hängen. Friedhöfe am Straßenrand. Ich nähere mich meinem eigentlichen Ziel.
Der Buchladen Tucholsky liegt einigermaßen geschäftsschädigend in einer Nebenstraße der Torstraße. Auch hier laufen Menschen, aber die wohnen gleich um die Ecke und spazieren mit Familie nur mal eben ins nächste Café. Als ich den Laden betrete, tauscht sich der Besitzer des Tucholsky gerade mit seiner einzigen Kundin über die progressive Phase eines Autors XY aus. Ich atme. Und schlendere die Buchrücken ab. Kein Hintergrundrauschen. Keine Hintergrundmusik. Nur ein paar wenige, ausgewählte Bücher. Dünne Hefte, aufwändig gebunden. Kleine Verlage, die niemand kennt außer der Ladenbesitzer: „Darf ich fragen, ob Sie den Schwarzdruck Verlag bereits kennen?“
„Ja, Sie haben ihn mir schon einmal empfohlen. Und ich war sehr zufrieden damit. Das Buch handelte von Arbeitslosigkeit.“ – „Ah Juliane Beer! Wirklich eine tolle Autorin. Ich musste gerade wieder neue Exemplare bestellen. Wenn Ihnen das Buch gefallen hat, weiß ich, was Ihnen außerdem gefallen wird: Der Hals der Giraffe. Ganz ähnliches Thema. Auch so eine Art Bildungsroman. Probieren Sie das mal.“ – „Das werde ich“, versichere ich und notiere mir die Empfehlung meines Bücher-Sommeliers. Ich bin froh, diesen Laden wiedergefunden zu haben.
Hallo Caro, Schalanskys “Der Hals der Giraffe” ist in der Tat nicht schlecht, fängt gut an, lässt aber dann ein wenig nach. Aber dennoch: Gutes und vor allem auch schönes (die Autorin hat das selbst gestaltet) Buch… Und natürlich liebe Grüße von mir!
Hach! Seufz! So schön was von Dir zu lesen. Wenn der ganze Kackmist vorbei ist, dann schreibe ich auch wieder was. Vorhin wusste ich auch noch genau was, aber jetzt ist es weg. Die Uni-Bibliothek frisst Gedanken zum Nachtmahl 🙁