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Bevor man einen weißen Kittel erblickt…

Ein, zwei Mal im Jahr steht es an: Vorsorgeuntersuchungen beim Arzt. An sich ja eine ganz gute Sache, man will ja nicht plötzlich von einer Krankheit befallen werden und dann unvermutet tot sein. Nee, dann lieber zur Untersuchung.

Wenn man jedoch – noch ganz unaufgeregt – den Termin gemacht hat (möglichst rasch natürlich, damit man es hinter sich hat und das schlechte Gewissen gar nicht erst aufkommt), dann geht es unweigerlich los: Die eigene Teilzeithypochondrie setzt ein. Plötzlich und unerwartet.

Misstrauisch beäugt man ab dann seinen Körper, ob da nicht doch etwas anders ist als sonst, also vor dem Terminausmachen. Hat man diesen dunklen Fleck vielleicht doch noch nicht seit Anbeginn der Zeit gehabt? Wo kommt plötzlich dieses Ziehen her? War mir heute morgen nicht schon wieder komisch und ich weiß nicht woher? Beunruhigt geht man zu Bücherregal, zögert, zieht aber dann doch den Pschyrembel hervor. Denn wie jeder Teilzeithypochonder hat man den selbstverständlich im Haus. Nicht weil man schlauer sein möchte als der Arzt, nein, zu dieser Spezies gehöre ich nicht definitiv nicht. Ich hoffe einfach darauf, dass der- oder diejenige ihr Handwerk versteht.

Beim Blättern verstärken sich die gefühlten Symptome um ungefähr 30-40 Prozent, so dass man das Ding mit leicht zittrigen Fingern wieder ins Regal zurückstellt, was das Befinden etwas verbessert. Noch kann sich aber wunderbar einreden, es wäre doch alles im grünen Bereich.

Das funktioniert aber dann nicht mehr, wenn man letztendlich im Wartezimmer sitzt. Die Wände besonders perfider Praxen zieren nämlich mit Vorliebe großformatige, bunte Bilder von irgendwelchen äußerst ungut aussehenden Krankheitsherden oder ganzen Hautkrebslandschaften. Und als ob das nicht genug wäre, liegen zwischen zehn Wochen alten SPIEGEL- oder STERN-Ausgaben Broschüren mit noch unangenehmeren Bildern und drastischen Fallbeschreibungen, so dass man schlagartig überzeugt ist, das bestimmt auch noch zu haben.

Blass und schockiert gleichzeitig sitzt man also spätestens nach fünf Minuten da und hofft nur noch, dass das Ganze möglichst minimalinvasiv an  einem vorübergeht und der Doc einem die schlechte Nachricht möglichst schonend überbringen mag.

Fatalistisch steht man auf und schreitet gemessenen Schrittes ins Behandlungszimmer, beobachtet das ärztliche Sprechzimmerbücherregal misstrauisch, ob da auch die beruhigende 34. Auflage des Hautärtzefachpamphletes aus dem Jahr 2012 steht und nicht die erste von 1803. Runzelt die Ärztin die Stirn? Wieso schaut sie sich diese Stelle denn zweimal an? Verwirrt registriert man die Unaufgeregtheit der guten Frau. Wie jetzt, das war alles? Aha. Banges Nachfragen. Immer noch vollkommene Unaufgeregtheit. Die Lebensgeister erwachen schlagartig wieder und man hat Mühe, seine dreieinhalb Meter Körpergröße in diesen niedrigen Raum unterzubringen. Na dann, war doch klar. Alles im grünen Bereich. Und beim erneuten Gang durchs Wartezimmer sehen dann natürlich alle anderen kränklich aus, man selbst wirkt im Spiegel hingegen wie das blühende Leben…

An Tagen, an denen man nicht gerade glaubt, von einer Todeskrankheit befallen zu sein, also schätzungsweise an 360 im Jahr, an denen kann man den Pschyrembel auch mal als Kuriositätenkabinett durchblättern, ganz ohne negative Regung. Kurioserweise fehlt aber dort der Eintrag zur Kleptophobie, also zu der Angst, zum Dieb zu werden. Schade, dabei hatte ich schon immer mal vor, bei meinem letzten Besuch bei Ahrens reinzugehen und die Frau an der Info ganz dezent zu bitten, den Geschäftsführer zu holen. Und diesem dann zuzuraunen, er solle mich überwachen, ich würde bestimmt was stehlen. Die aktuelle Ausgabe des Pschyrembel beispielsweise oder ein Raider – um mich dann, wenn ich unvermutet mit dem iMac unterm Arm rausspaziere, natürlich darauf zu berufen, ich wäre krank und hätte ja alle gewarnt. Naja, vielleicht doch keine ganz so gute Idee… aber das nur am Rande…

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