Zurück zum Content

Großraumbüro

Ein Raum. Ein großer Raum. Ein sehr großer Raum. Ein sehr großer Raum mit 18 Plätzen, 18 Tischen, 18 Stühlen. Ich sitze in diesem Raum auf einem dieser 18 Stühle an einem dieser 18 Tische. Der Platz ist voll gestellt mit Ordnern. Vor mir liegt eine Tastatur. Vor mir steht ein Flatscreen. Daneben steht ein Telefon.

Um mich herum ist es niemals wirklich still.

Die 18 Plätze in diesem sehr großen Raum sind zum Großteil besetzt. Alle sind am Arbeiten. Sie arbeiten, soweit es ihnen möglich ist. Die Telefone klingeln. Die Kollegen gehen ran, wenn sie da sind. Ansonsten klingelt es weiter. Ab und zu klingeln mehrere Telefone auf einmal, ab und zu gehen auch alle an ihre Telefone ran. Sie reden dann, führen Gespräche. Meistens sind diese Gespräche geschäftlicher Natur, haben was mit der Arbeit, die sie tun müssen, zu tun. Jeder versucht so ruhig wie möglich am Telefon zu sein. Manchmal werden auch vertrauliche Gespräche geführt, das merke ich am Tonfall und daran, dass es noch ruhiger wird. Manchmal werden auch private Gespräche geführt. Freilich werden diese nicht mehr so frei geführt, wie man es bei privaten Gesprächen gewohnt ist. Jedem ist es eher unangenehm. Privates in Geschäftsräumen zu tun, ist nun mal unangenehm, besonders, wenn in einem sehr großen Raum mit 18 Plätzen, die fast alle besetzt sind, die Privatsphäre quasi gleich Null ist.

Um mich herum ist es niemals wirklich still.

Menschen gehen durch die Brandschutztür. Menschen gehen an mir vorbei. Menschen gehen an uns vorbei. Manchmal reden sie, manchmal lachen sie, manchmal versuchen sie einfach ganz still zu sein. Meistens laufen sie nur. Manchmal laufen sie nur und das nicht leise. Mit schweren schnellen Schritten laufen sie an mir, an uns vorbei. Man kennt sich hier. Man grüßt sich hier. Man bemitleidet sich ein wenig.

Um mich herum ist es niemals wirklich still.

Das Arbeiten in diesem Raum sollte eigentlich effektiver werden. Das Arbeiten in diesem Raum sollte eigentlich effizienter werden. Es gibt keine Türen zwischen den einzelnen Mitgliedern der Abteilung. Nur Trennwände vermitteln etwas Abgrenzung. Die Kommunikationswege sind kürzer. Keiner muss nun mit dem Kollegen am anderen Ende des Raumes telefonieren. Ein einfaches Vorbeigehen ist effektiver. Dadurch entsteht ein neues bewusstes Gemeinschaftsbild. Dadurch entsteht ein neues bewusstes Wir-Gefühl. Wir sitzen alle in einem Boot. Wir müssen alle arbeiten. Wir wollen hier alle so schnell wie möglich weg. Wir müssen uns alle unterstützen. Andererseits ist es nicht so einfach. Die Konzentration zu halten, während am anderen Ende des Raums geredet wird, ist ebenso schwierig, wie den Gedanken loszuwerden, jederzeit angesprochen und gestört zu werden.

Um mich herum ist es niemals wirklich still.

Die Uhr zeigt halb eins. Die Mittagspause beginnt. Ich sitze im Durchgangsraum. Die arbeitenden Kollegen fangen an, sich fertig zu machen. Sie stehen auf und ziehen ihre Jacken und Mäntel an. Sie gehen nicht alle. Sie gehen nicht alle auf einmal. Wenn die letzten gehen, kommen die ersten auch schon wieder. Es ist ein ständiges hin und her.

Um mich herum ist es niemals wirklich still.

Aber dann, ich habe es kaum zu hoffen gewagt, wird es auf einmal doch ganz still. Oft dann, wenn alle schon Feierabend haben. Dann ist es schon dunkel. Die Telefone klingeln nicht mehr. Das Lachen und die Gespräche verstummen. Das Geklapper der Tastatur erschallt nicht mehr durch den Raum Die Türen öffnen und schließen sich nicht. Keiner geht mehr an mir vorbei. Ein „uns“ gibt es nicht mehr. Alle sind weg.

Um mich herum ist es dann wirklich still.

Dann wird es einsam um mich herum. Dann bin ich ganz alleine. Dann sehne ich mich nicht mehr nach der Stille, nach der ich mich den ganzen Tag gesehnt habe.

Ich will das, was ich nicht habe.

Was mache ich aber, wenn ich bekomme, was ich nicht habe? Will ich es dann nicht mehr?

Bald ist alles vorbei. Ich werde nicht mehr in einem sehr großen Raum mit 18 fast voll besetzten Plätzen sitzen. Werde ich dann wieder zurückwollen? Werde ich meine Zeit dann noch sinnvoll nutzen können?

Ein Raum. Ein großer Raum. Ein sehr großer Raum. Ein sehr großer Raum mit 18 Plätzen, 18 Tischen, 18 Stühlen. Ich sitze in diesem Raum auf einem dieser 18 Stühle an einem dieser 18 Tische. Der Platz ist voll gestellt mit Ordnern. Vor mir liegt eine Tastatur. Vor mir steht ein Flatscreen. Daneben steht ein Telefon.

Ich sitze hier. Um mich herum ist es niemals wirklich still…

P.S.: Ein etwas ältere Geschichte von mir, aber hier muss mal wieder mehr Content rein 😉

Gib als erster einen Kommentar ab

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *