Selbstversuch gestern: Ich gehe in die Bibliothek, wie die anderen Leute das ja gerne tun.
Also los. Ankommen, reingehen, umschauen.
Klausuratmosphäre, wo man hinschaut Juristen, die Schönfelder-Dichte weit über dem Durchschnitt. Nach langen Hin- und Hergerenne einen Platz gefunden und belegt. Sofort wieder erinnert, wieso man diese Bibliotheksaufenthalte so ablehnt, sich innerlich dagegen sträubt. Sinnvoll zu arbeiten scheint hier interessanterweise kaum jemand, allerorten Zeitungen, verstohlenes Blättern in Magazinen. Einige Bibliotheksschläfer, den Kopf auf Bücher gebettet.
Was macht man hier? Man muss arbeiten, hat aber spontan Lust, in sinnfreien Illustrierten zu blättern, doch eine dumpfe Furcht vor der Preisgabe seines intellektuellen Gehabes verhindert dies. Zwei Reihen weiter vorne spielt jemand Solitaire, wozu sucht so eine Person dann eine Bibliothek auf, fragt man sich. Juristengesindel, bestimmt. Kurze Freude darüber, daß man es geschafft hat, dem zu entkommen, ob man auch so geworden wäre, wenn man sich der Allgemeinheit gebeugt hätte und etwas „Anständiges“ studiert hätte?
Dann doch lieber das bohemehafte Leben als LitWiss, sich als geistige Speerspitze fühlen, yeah!
Aber: In der nächsten halben Stunde dann wieder das Scheitern am Text, an der Motivation, an der Mediokrität des eigenen Textes.
Nebenan die Fraktion der Leute, die mit verschiedenfarbigen Markern blödsinnige Texte zu gliedern versuchen, um sie nicht in ihrer Gesamtheit erfassen zu müssen, grün und naturgemäß rosa, was auch sonst. Erstaunliche Sorgfalt beim Bemarkern übrigens.
Kostümchenschickse und Kartenspieljurist vorne links schieben sich gegenseitig Zeitungen zu. Spaßig auch, daß er, als sie den Platz wieder eingenommen hat, schnell vorher einen Text aufgerufen hat, jetzt, da er sich unbeobachtet fühlt, aber wieder Karten spielt.
Der eigene Stand im Prinzip nicht vorhanden, man versteckt sich offenbar. Jetzt aber endlich Produzieren, keine Ausreden suchen, Ideen zusammensuchen.
Scheinen ja Grüppchen sein, die sich zum gemeinschaftlichen Lungern und so-tun-als-ob hier einfinden. Aber typische Mami-Hausfrau-Papa-Anwalt-Tochter-Gestütstypen, was sonst. Immer mehr wünscht man sich eine Privatbibliothek, um so diese ganzen Menschen herauszuhalten aus der Bücherwelt. Ruhe.
Ein wenig umhergehen. In obskuren Journalen blättern. Warten.
Der Jurist vorne hat ein neues Spiel entdeckt, irgendso ein Weltraum-Ballerding, so langsam fragt man sich, ob das nicht eine recht perverse Art der Freizeitgestaltung ist, sich in Bibliotheken computerspielend die Zeit zu vertreiben.
Kurzer Selbstzweifel, denn man schlägt selbst seit geraumer Zeit dieselbige tot, indem man lediglich bloßes Nichts produziert. Sind Texte, sind Buchstabenreihen besser als Spiele? Nachdenken, Abwägen. Entscheidung, Ja, ist besser, ist so. Ah, jetzt beide ab. Offenbar genug gespielt.
Leichtes Unbehagen. Weiter große Abneigung dem Bibliotheksitzen gegenüber. Buch nehmen. Schnell Kopieren. Heim.
Endlich.
Schöner Text! Morgendliches Schmunzeln made my day! 😉
like 🙂 obwohl ich in der Bib recht effektiv arbeiten kann, was aber noch nichts heißt 😉
War ja mal selbst einer…also eigene, leidvolle Erfahrung 😉
Hehe… ganz nette Bestandsaufnahme aus deiner Sicht… Du weißt schon, dass du hier mit einem Juristen zusammen bloggst? 😉