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Vom Cinematographen I

Ich finde es ja schon schwierig, wenn ich direkt nach dem Abspann eines Filmes im Kino beim nach-draußen-Gehen gefragt werde, wie ich denn den Film fand. Meist brummle ich dann undefiniert vor mich hin – außer ich war vom Gesehenen begeistert, was leider jedoch extrem selten vorkommt.
Was ich aber besonders anstrengend finde, ist wenn von mir dann auch noch erwartet wird, dass ich irgendetwas Fundiertes zum Film sage. Denn ich möchte nach dem Kino erst mal ein wenig vor mich hin denken und das Gesehene blinzelnd einordnen in mein eigenes, verqueres Gedankengebäude – erst dann bin ich bereit, ein paar Wörtchen zu äußern.

Heute war ich mal wieder im Lichtspielhaus, um mir zusammen mit einem Kollegen “The Artist” anzusehen. Das ist mal wieder einer der Filme, bei dem sich meine Neugier ganz merkwürdig mit einer schon vorab sich leise anschleichenden Vorsicht verbindet. Neugierig ist man, weil man schon des öfteren davon gehört hat. Vorsichtig ist man, weil man bisher nur Gutes gehört hat – und was alle gut finden, das kann ja nichts sein. Vox populi, vox Rindvieh.

Aber naja, erst mal die Neugierde vor, bitte. Der Saal ist mäßig gefüllt, Intellektuellendichte über dem Durchschnitt, Vorsicht, Arthouse-Kram. Erste nette Überraschung: Der Vorhang der Leinwand rückt nach der Werbung erstmal zusammen, sieht man im Kino auch selten, schönes 4:3-Format, beim Vorspann aber schon ein erstes leichtes Stirnrunzeln: Look und feel sind zwar passend, aber wieso musste man die Schrift erschaudern lassen wie bei einer zum dreitausendsten Mal durchgenudelten Kopie? Weil es bei heutigen Ansehen alter Filme so ist? Aha.

Sei´s drum, weiter. Der Beginn ganz charmant, Fairbanks, Valentino und Gloria Swanson lassen grüßen, doch irgendwas stört. Die Bilder sind zu glatt, die Gesten zu dramatisch, fast hat man das Gefühl, gleich kommt Klaus Kinski um die Ecke und rollt mal ordentlich mit den Augen. Das Ganze hat etwas pantomimisches, aber leicht übertriebenes. Dieses Gefühl wird dadurch verstärkt, dass die Menschen an den unpassendsten Stellen lachen. So gleitet die Hommage merklich in gefühlten Slapstick hinein. Ok, ok, die Sehgewohnheiten der Leute, beruhigt man sich. Wahrscheinlich würden die auch bei Murnaus “Faust” oder Hitchcocks “The Lodger – A Story of the London Fog” lachen.

Dann eine Traumszene, in der der Darsteller plötzlich den Ton hört, den sein Abstellen des Glases auf den Tisch verursacht – mit Ton wohlgemerkt. Aber so richtig überraschend ist das nicht, irgendwie hat man die ganze Zeit drauf gewartet, dass dieser Effekt, dieses Verlassen der Konvention eingebaut wird. Traumszene also eher mäßig.

Das folgende ist wieder ganz nett, auch wenn der Übergang der Filmindustrie zum Tonfilm als künstlerische Bankrotterklärung dargestellt wird – was später aber beinahe verschämt und nur angedeutet wieder zurückgenommen wird. Hier macht es sich der Film deutlich zu einfach. Es war eben nicht so, dass die Stummfilmstars untergingen, weil alle mit dem Tonfilm neue Gesichter sehen wollten. Da gab es ganz andere, weitaus praktischere Gründe, weil plötzlich bekannte Darsteller synchronisiert werden mussten, da sie kaum oder zu schlecht Englisch sprachen beispielsweise.

Zum Schluss braucht auch der französische Film die Hollywood-Konvention, das übliche Happy-End, der Ton setzt ein, der Stummfilmstar sagt einen Satz ins Mikrofon, alles ist gut.

Michel Hazanavicius hat einen ganz brauchbaren Film gemacht, ohne Frage, er hat stellenweise durchaus Charme und liebt das Detail, auch wenn man hier oder da auch Ungenauigkeiten finden kann – so langsam brennenden Zelluloidfilm hat man wohl noch nie gesehen – aber das sind eher Mäkeleien. Das Manko des Films ist eher ein anderes: Es ist eben kein “normaler” Stummfilm, sondern ein netter Film mit hübschem Retrokostüm, eine glattpolierte Hommage, zwar selbstreferentiell, aber doch zu gewollt, um nachhaltig zu begeistern. So kommt dann doch die Skepsis hervor und drängt die Neugier zurück. Richtig aufregend wäre gewesen, wenn jemand einen einen ganz handelsüblichen Stoff als Stummfilm in Schwarzweiß gefilmt hätte. Einfach so. So wie Allen damals “Manhattan” einfach in wunderbaren Schwarzweißbildern filmte. Ohne Schnickschnack und Schau-mal-Retro-Gehabe. Morgen Abend gibt es Murnaus “Nosferatu” oder noch besser, Bunuels “Un chien andalou”. Da überwiegt komischerweise die Begeisterung.

 

 

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