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Vom Flusse – Ein abgebrochener Denkversuch

Ich kann mich noch gut daran erinnern, als ich zum ersten Mal in Marburg weilte, um mich an der hiesigen Universität einzuschreiben. Marburg an der Lahn, das klang nach einer Stadt des Geistes am Strome – umso verwunderter war ich, als ich diesen ominösen Strom auf meinem Weg in die Stadt angeblich mit dem Auto überquert haben sollte, und das gleich mehrfach. Aha, so dachte ich einst, vielleicht ein kleiner Nebenarm, harrend dem “richtigen” Fluss, wie man solche aus meiner Heimat kennt. Einer mit Schiffen drauf eben, Schubverbänden mit Kohlehalden und Containern.

Doch diese Erwartung sollte bald enttäuscht werden. Als ich nach einer Odyssee durch die Oberstadt und die Tücken der Verwaltung endlich eingeschrieben war, schlenderte ich Richtung Mensa und überquerte dabei einen besseren Bach, der sich in der konsultierten Karte tatsächlich als die Lahn entpuppte. Schiffe brauchte ich hier also nicht zu erwarten.

Eines aber war hier anders, die ganze Szenerie wirkte beschaulich und geradezu idyllisch. Eine Idylle in Bezug auf Flüsse kannte man als Südpfalzer nur aus gemalten Szenen oder den durch die Rheinbegradigung abgeschnittenen Altrheinarmen, die aber ja keine Fließgewässer mehr sind – mit Schiffen ist hier also auch nix. Mächtig, ja, das ist der Rhein definitiv, aber auch gerade in meiner Gegend eher öde, eingezwängt in sein Betonkorsett, schnell, monatelang reißend, unheimlich, gefährlich. Wenn man da hineingerate, so die sicherlich übertriebene Warnung meiner Eltern beim Herumtollen am Rhein, so würde man vielleicht nicht mehr rauskommen. Der begradigte Fluss also: Angstbesetzt. Tod und Ertrinken als primäre Assoziationen.

Die Lahn hingegen: Kaum eine Fließrichtung auszumachen, nicht sehr tief – wie ich einige Monate später beim Durchlaufen feststellen sollte, aber in gewisser Weise überaus nett. Hier würde man, romantisch veranlagt,  mit seiner Liebsten einen Nachen steuernd dahingleiten. Und nicht wie auf dem Rhein in die Nähe des Todes geraten – oder viel wahrscheinlicher unter einen holländischen Kiesfrachter beim vergeblichen Ausweichversuch.

Auf der Lahn könnte man das Dahingleiten des Wassers gemeinsam betrachten,  wenn man sich einen exzentrischen Zug geben wollte, könnte man – falls die Gute wider Erwarten Naturwissenschaftlerin wäre – neckisch von Gleit- und Prallhängen an mäandrierenden Flussläufen philosophieren. Bei Geisteswissenschaftlerinnen könnte man souverän Gedichte mit Fluss- und Schiffinhalten rezitieren. Und dabei vergessen machen, das, was man da versucht, freudianisch alles ganz klar ist – an Rhein wie Lahn, dort Angst- hier Lustsymbole. Wo Freud Recht hat, hat er eben Recht. Der Eros des Stromes, das dahinfließende Gewässer in seinem Bette als Symbol der Lust, ganz abwegig ist das nicht. Und das Idylle ist per se sowieso immer Schweinkram. Oder kann man sich eine anständige Idylle ohne nackte Nymphen und Göttinen vorstellen? Diana im Bade am Fluss?  Also!

Wie lautet also die Spontanerkenntnis? Mäander sind erotisch. Schon immer. Weitere Ausführungen können allerdings monolithisch werden und werden vertagt.

 

 

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