In den letzten 4 Monaten kristallisierte sich das immer stärker heraus, was sich in 5 Jahren Studium hin und wieder angekündigt hatte, aber nie durchgebrochen war. Ich bin nervlich instabil, frage mich nach Sinn und Zweck dieses „Laberfaches“ Medienwissenschaft, fühle mich inkompetent, faul und schwach. Burn Out. Insgeheim zähle ich mich bereits zu den 17% aller Studentinnen, die an psychischen Problemen leiden. Üblicherweise wird dafür die Leistungsgesellschaft verantwortlich gemacht. Ich stimme dem zu.
Die Notwendigkeit, dutzende, unbezahlte Praktika zu absolvieren, bevor man vielleicht die Chance auf ein Volontariat bekommt, nachdem man vielleicht die Chance auf einen Job bekommt, von dessen Gehalt man dann vielleicht sogar leben kann, erschließt sich mir nicht. Ich schimpfe auf diese Generation, die sich so etwas bieten lässt, bin wütend auf das System und mich selbst, weil ich nichts „Richtiges“ gelernt habe. In meinen Pausen krampft mir ein schlechtes Gewissen im Kopf herum, das genau weiß, wie viele Seiten ich noch nicht geschrieben habe und dem Verstand Verdrängung vorwirft. Ab und zu recherchiere ich Ausbildungsberufe. Ich bin wütend und unzufrieden. Ich zweifle zum ersten Mal in meinem Leben daran, die richtige Abzweigung auf den „Hauptweg und Nebenwegen“ genommen zu haben.
Der Punkt, an dem ich mir selbst fremd bin.
Warum aber das alles? Habe ich denn, als ich mein Studium gewählt habe, nicht gewusst, dass es nach Geisteswissenschaften nun mal keinen geraden Weg gibt? Habe ich mich nicht gegen ein sicheres Gehalt und für persönliche Verwirklichung entschieden?
Was mich stört, ist das Gefühl der Prostitution. Was mich stört, ist der Status von Arbeit als Privileg. Mich stört, dass das, was ideell wertvoll ist, gleichzeitig „leider“ auch unbezahlt, und das, was allein an Gewinnmaximierung orientiert ist, einem den Lebensunterhalt sichert. Kultur ist eine schöne Sache, die man nebenbei gerne vorantreiben kann und sollte. Kohle jedoch, gibt’s nur da, wo noch mehr Kohle generiert wird. Eigentlich ganz logisch. Ideale füllen das Herz und Geld den Bauch. „Von Worten wird der Bauch nicht voll.“ Genug der Floskeln. Das alles ist jedenfalls nicht neu. Weshalb bin ich so in Rage?
Und dann hör ich meinen derzeitigen Lieblingsmainstream, der im Übrigen gleichzeitig schön, gut und populär ist, und der Kern meiner derzeitigen Gefühlslage fällt mir wie Schuppen von der Default-Hirnregion: Ich war noch nie so fremdbestimmt. Deshalb ist jetzt Schluss mit dem Gejammer und Zeit für
Eine Prinzipien-Renaissance:
Ich entscheide, wen ich unterstütze, wessen Geld ich nehme, wie viel Zeit ich brauche, wo ich sein will, was ich mache und warum. Und wer mich nicht will, der hat mich nicht verdient und findet bestimmt jemand anderen, der’s macht, denn das System, das ist immer noch renovierungsbedürftig.
diese wut kenne ich nur zu gut, auch wenn ich nie ernsthaft daran gezweifelt, das richtige getan zu haben, als ich mich der geisteswissenschaft verschrieben habe. das liegt aber wohl daran, dass ich damals tatsächlich versucht habe, was “richtiges” zu studieren. die wut, dich damals auf solche karrieretypen entwickelt habe, hatte eine ganz andere qualität.
und man muss sich gegen das system des “leider unbezahlten” wehren, indem man sich diesen dingen konsequent verweigert, und sich eben nicht seinen wert diktieren lässt, sondern diesen selbst bestimmt. manchmal braucht man auch einfach eine gewisse grundverachtung für all diese vorgegebenen normativen ideen, wie man sein leben leben soll – keine kapitulation, keine resignation,
oh mann, das gibt’s doch nicht, du sprichst mir sowas von aus der seele meine liebe. falsche abzweigung, verirrt im schilderwald…