Ich liebe Dekadenz. Ankommen, willkommen sein, zufrieden und glücklich sein. In zweiter Reihe halten und das Parken jemand anderem überlassen. Ein freundliches Hallo, das dir die Gold beschlagene Tür aufhält. Delikate Häppchen und erlesene Weine, deren hohrende Preise diskret bezahlt und selbstredend aufgerundet werden. Stilvoll arrangierte Prosecco-Gläser, in denen ein zurückhaltendes Orangenschnitzchen schwimmt und leichte Süße verströmt.
Wir saugen den unbefangenen Komfort wie selbstverständlich auf, ohne uns in Begeisterung zu verlieren, weil die Unaufgeregtheit einfach zum Spiel dazugehört. Und in uns drin genießen wir jede Sekunde, weil wir wissen, dass sie uns etwas Besonderes bleiben wird. Nach wenigen Minuten drücken wir gleichsam Anerkennung und Skepsis dadurch aus, dass wir euren affektierten Sprachgestus imitieren, überhöhen, uns gleichzeitig darin wälzen wie heißblütige Ferkel im Matsch. Das Spiel gefällt.
Bis eure Masken gar nicht mal blättern, sondern mit einem Mal Fratzen entblößen, die mir den ganzen Spaß an der Dekadenz nehmen. Seine Hand in Großaufnahme, die ihr am Schenkel entlangspürt, zwischen die Beine packt, greift, reibt, fordert. Hat man vergessen, euch aufzuklären, als man euch in Couleur hüllte oder auf die Höhere Töchterschule steckte? Eindringlich starrt er sie an, während er sich genüsslich über die Lippen leckt. Auf dem Weg zum Aufsichtsrat blieb keine Zeit, euch die Mysterien unterhalb der Gürtellinie zu erläutern, so dass ihr bei jeder kleinsten Frivolität aufgeregt kichert wie die Grundschul- – Was sag ich? – wie die Kindergartenkinder.
Und es wäre auch gar nichts dabei, wenn es nicht kleine und große Unterschiede gäbe, die aus Sexualität Gewalt machen, über die zu kichern ich als außerordentlich unangebracht empfinde. Das bleibt in der Magengegend. Das holt einen Film so nah heran, dass er einem auf dem Schoß sitzt und die kalten Griffel um die Gurgel schlingt. Ich möchte aufstehen, mich vor der Leinwand aufbäumen und euch anschreien: Was habt ihr nicht verstanden? Worüber lacht ihr? Ist es die Sexualität, die sich in den Reißverschlüssen eurer Vuitton-Taschen verklemmt hat? Oder ist es vielleicht das hysterische Lachen der Eingeweihten, die sich den Schmerz mit Humor von der Seele fernhalten?
Mir jedenfalls sitzt das Trüffel Hors d’Œuvre auch jetzt noch recht quer im Hals. Bei meinem nächsten Besuch in der Upperclass werde ich versuchen, mich auf den reinen Konsum von Feel Good Food und Film zurückzubesinnen. Dennoch schade irgendwie.
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