Zurück zum Content

Don’t worry, don’t hurry

Ich habe Urlaub und abgesehen von ein paar Tagen Berlin nichts vor. Nicht, weil ich nicht gerne wegfahre oder wegen irgendwelcher moralischer Selbstverbote (Klima und so), sondern weil mir in den vergangenen Monaten schon beim Gedanken ans Verreisen die Augenlider schwer wurden. Angefangen mit dem Ziel der Reise. Ich erinnere mich sehr genau beim letztjährigen Sardinien-Urlaub im Sommer und beim Rom-Trip im Winter an den Gedanken, dass ich dieser Mittelmeerstädte nun langsam überdrüssig bin. Fernreise also (Asien, Australien und natürlich die Amerikas) oder Norden oder Baltikum oder Osten. Dagegen sprechen in diesem Jahr allerdings zwei Dinge: Meine neuerlich eingeschränkte Mobilität – Norwegen ohne Wandern scheint mir etwas absurd und bspw. Budapest im Auto zu erkunden kommt mir auch falsch vor – und mein diesjähriges Sparziel. Ja, in diesem Jahr habe ich ein Sparziel. Für jemanden, der es laut neuesten Erkenntnissen gerade so in die Mittelschicht schafft, ist so ein Sparziel durchaus hinderlich, wenn es darum geht, coole Sachen zu machen, die gefühlt oder auch real von Jahr zu Jahr teurer werden. Nun denn. Davon abgesehen habe ich aber schon auch Lust auf Meer und Hitze und Sand an den Füßen, aber da sind wir wieder beim Mittelmeer und Geld für eine Reise an einen Ort auszugeben, der mich nur so mittelmäßig interessiert, das geht gerade nicht, wegen des Sparziels. Aus demselben Grund fällt auch Dänemark oder die deutsche Küste aus, weil, wenn ich schon Geld ausgebe, dann muss der Ort schon mehr zu bieten haben, als nur Meer. Und beide Orte lösen in mir leider ein bleiernes Desinteresse aus. Was soll man denn da schließlich abends machen? Lesen? Pommes essen? Das kann ich auch daheim und da kostet es mich nichts. Im Meer baden kann ich nicht daheim, aber immerhin kostet mich dieser Verzicht auch nichts und jeder weiß, dass das Wetter an der deutschen Küste eher mal bitchy ist, das Risiko ist mir jedenfalls zu hoch, so von der Investment-Seite her betrachtet. Ich will für meinen Euro einfach das bestmögliche Erlebnis haben, ist das denn zu viel verlangt? Ich denke nicht und ich habe auch keine Lust auf hirnrissige Kompromisse, nur um irgendwo gewesen zu sein.

Wenn ich wenigstens wieder gescheit laufen könnte, könnte ich mich mit Norwegen, Schottland, Irland, Island und Finnland anfreunden. Das wäre dann kein Badeurlaub, schon klar, aber immerhin verspräche ich mir davon ein geradezu reinigendes Landschaftserlebnis. Aber ein Kompromiss wäre auch das. Was ich eigentlich will ist mir nämlich ganz klar: USA, Südamerika, Indien, Neuseeland und es ist mir völlig wumpe, dass das ja total Klischee ist. Das Herz will, was es will, basta.

Hach ja, Urlaub ohne Plan ist ganz schön anstrengend. Das sagt einem ja niemand und dann steht man da, so ganz ohne Arbeit und weiß nicht, wohin mit sich. Weil, und das sagt einem auch niemand, daheim bleiben ist schrecklich langweilig. Ausschlafen, rumbummeln, hier ein Käffchen, da spätnachts ein Film. Lesen, lesen, lesen. Aber ich habe in diesem Jahr schon 15 Bücher gelesen und das ganz ohne Urlaub, also als Urlaubsaktivität geht das vor dem inneren Richter nicht so ganz durch. Vielleicht muss ich mich von dem Gedanken verabschieden, dass Urlaub etwas Besonderes mit sich bringen muss, bzw. vielleicht muss ich meine Definition von „besonders“ anpassen. Besonders kann ja auch eine Sache meinen, für die man sonst keine Zeit oder Muße hat.

Gestern habe ich zum Beispiel endlich mal meinen Kleiderschrank aufgeräumt. Heute sitze ich schon sehr lange im Garten, unterbrochen von einem kleinen Ausflug in ein Café und zur Bank, wann hat man dafür mitten am Tag schon mal Zeit? Außerdem habe ich heute schon ein Nickerchen gemacht und das macht man ja für gewöhnlich nie. Trotzdem ist mir langweilig. Mir fehlt schon die Inspiration, die mit neuen Gegenden und fremden Sprachen kommt, außerdem ist ein kurzer Abstecher ins Ausland auch immer eine willkommene Erinnerung an die Begrenztheit des eigenen Tellerrands. Langeweile kommt ja schließlich auch ein wenig daher, dass man sich zu häufig mit den immer selben Dingen beschäftigt, statt hin und wieder etwas Neues zu wagen. Ein Grund mehr, nicht an die deutsche Küste zu fahren. Ich mag das Gefühl, irgendwo fremd zu sein. Der Sprache nicht mächtig und umgeben von ungewohnten Eindrücken – nichts regt die kreativen Säfte mehr an, als wenn man sich ein kleines bisschen ausgeliefert und manchmal auch aufgeschmissen fühlt. Manchmal denke ich, man müsste den ganzen AfD-Spinnern einfach mal einen Urlaub in einem sehr fremden Land spendieren. Hier hast du ein Mietauto, eine Landkarte und ausreichend Geld und jetzt sieh‘ zu, wie du klarkommst. Die Parolen ändern seit Jahrzehnten ja nur das Logo, inhaltlich sind sie alt und verstaubt. Ein Indiz dafür, dass es an originellen Gedanken fehlt und die kriegt man nicht, wenn man immer nur daheimsitzt und Daumengymnastik auf der Fernbedienung betreibt.

Gut, ich bin nun nicht gefährdet, zum AfD-Spinner zu mutieren, aber ein bisschen eintönig finde ich meine Gedankenwelt in letzter Zeit schon. Ich lese zwar viel, das sagte ich ja schon, und ich freue mich auch an den Ideen und Gedanken, die ich da so lese, aber das sind eben nicht meine Ideen und Gedanken, ich bin da nur der dankbare Konsument. Mir hilft jedenfalls das Reisen gedanklich sehr auf die Sprünge und da ich mich für recht gewöhnlich halte, glaube ich, dass das auch anderen so gehen könnte. Was nicht bedeutet, dass andere Menschen zwingend auch dieses Bedürfnis haben. Ich glaube ganz im Gegenteil, dass viele Menschen sich gerne langweilen. Die nennen das dann vielleicht entspannen oder auftanken und nicht langweilen, aber im Prinzip ist es wahrscheinlich dasselbe. Tagein tagaus rumpimmeln. Vielleicht brauche ich auch einfach ein Hobby. Oder Valium.

Apropos Reisen: Neulich habe ich irgendwo gelesen, ich glaube es war in einer sehr alten Ausgabe der GEO, wie ein Wissenschaftler – war er Anthropologe oder Archäologe? – darüber sprach, dass der größte Fehler der Menschheit war, sesshaft zu werden. Das habe einfach alles versaut. Mit der Sesshaftigkeit kamen die Besitzansprüche, Grenzen, Grabenkämpfe, Städte, Länder und schließlich das Nationalgefühl. Außerdem entstanden quasi aus der Not heraus Landwirtschaft und Viehzucht, die letztlich Monokulturen und ausgelaugte Böden ohne ausreichend Zeit zur Erholung mit sich brachten. Dazu kam der Drang nach Besitztümern, die in ihrer kumulierten Masse dann den Status bezeugten und Status überhaupt, der – bestechend logisch – erst wichtig wird, wenn man erkannt wird und nicht nur irgendein namenloser Streuner ist. Das Ego ward geboren und heute will das Ego alles haben, was alle anderen auch haben. Das neueste Blabla, das auserlesenste Dingsbums, genauso viele oder am besten mehr Weißtschonwas und am Ende steht notgedrungen die Zerstörung unserer Lebensgrundlage, weil schlicht nicht jeder alles haben kann.  Puh, harter Tobak, aber so hat er’s formuliert, der Wissenschaftler.

Leider ist das ja alles andere als praktikabel. Wie soll man denn bspw. Wissenschaft betreiben, wenn man nicht sesshaft ist? Andererseits… mit der richtigen Technologie ginge das wahrscheinlich schon und wenn ich genauer darüber nachdenke, dann ist das doch jetzt schon so ein Kunstwort, dass man immer häufiger hört – digital nomads. Die Leute, die mit Sack und Pack durch die Weltgeschichte tingeln und egal wo ihren Laptop auspacken und arbeiten können. Aber was genau arbeiten die denn eigentlich? Das müsste ich mal recherchieren. Wahrscheinlich was mit Medien, ha ha.

Dann doch lieber so wie in Star Trek *nerd alert*, mit den putzigen kleinen Gadgets lassen sich doch ganz prima komplexe Analysen machen und das einzige, was man da noch von A nach B wuchten muss ist der eigene Adonis-Körper. Eigentlich perfekt, Nomaden Zweipunktnull. Sagt man das noch? Zweipunktnull? Egal. Heute ist jedenfalls Montag. Der erste Urlaubstag von 21.

https://www.youtube.com/watch?v=to5WP-bQ0wI

 

Gib als erster einen Kommentar ab

Hinterlasse eine Antwort

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *