Wenn ich heute darüber nachdenke, was ich einmal werden wollte, dann fallen mir einige Dinge ein. Mit der geringsten Anzahl an Jahren auf dem Tacho wollte ich unbedingt Schriftstellerin werden. Ich konnte schon vor der Einschulung schreiben und generell fiel mir sprachliches Lernen recht leicht. Die Zweisprachigkeit war da sicher hilfreich, aber auch, dass mein Vater Kinderpsychologie studierte, nachdem er aus der U.S.-Army ausschied, und mich gerne als Studienobjekt nutzte. Ich erinnere mich an diverse Tests, die ich spielerisch absolvieren sollte und wie viel Spaß ich damit hatte – ich wusste schließlich nicht, dass ich getestet wurde. Ich durfte geometrische Formen ausmalen, nachmalen und neu kombinieren, Buchstaben und Worte lernen und anwenden und mit Worten, Bildern und Farben experimentieren – so Zeug eben. Heute würde man das Frühförderung nennen, für meinen Vater – der damals schon hart auf die vierzig zuging – war es wahrscheinlich nur beflügelte Neugier. Jahrzehnte später habe ich diese Bögen wiedergefunden und gestaunt über die Methoden und Schlüsse, die man aus diesen einfachen Kritzeleien glaubte ziehen zu können. Als ich dann des Schreibens mächtig war, reizte ich dieses Werkzeug aus: Ich schrieb und illustrierte Geschichten und jedes neue Wort, das ich lernte, schrieb ich mit dem linken Zeigefinger für alle sichtbar und mit ausladenden Bewegungen in die Luft. Mit den Jahren begriff aber etwas in mir, dass Schriftstellerin kein Beruf für mich ist. Schlicht, weil Schriftstellerin überhaupt kein Beruf ist. Ein Beruf ist etwas sehr anderes: Ein Beruf ist etwas, das man sich in einigen Jahren Lehrzeit erarbeitet und dann geht man dieser Arbeit im Idealfall bis zur Rente nach. Den Beruf erkennt man an seinem Namen, der schon alles darüber verrät, was diesen Beruf ausmacht: Tankwart, Arzthelferin, Bürokauffrau, Lagerist, Tierarzt, Mediengestalterin, Verkäufer, Bankkauffrau, Lehrerin. Berufe hinterlassen keine fragenden Gesichter, wenn man erzählt, was man tut, Berufe werden mit Brot und Obdach belohnt und – wenn man ganz viel Glück hat – auch mit Anerkennung, eine nicht zu unterschätzende Cryptowährung in jedem sozialen System. Berufe machen manchmal glücklich. Manchmal sind Berufe langweilig. Meistens sind Berufe ganz okaye Mittel zum Zweck.
Wenn ich heute die Entscheidungen hinterfrage, die meinen beruflichen Werdegang geprägt haben, kann ich diese schon früh manifestierte Erkenntnis wie ein Fossil freilegen und das ist weder gut noch schlecht, sondern schlicht das Ergebnis beflügelter Neugier.
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