Als Mittdreißiger ist man ständig müde, dabei ist die Existenz des Mittdreißigers kein Ding, dass sich so einfach fassen ließe, nein, das Dasein des Mittdreißigers ist eine schier endlose Aneinanderreihung von Terminen, Deadlines, Planungen und Dingen, von denen man a) schon lange weiß, dass sie kommen, um die man sich aber natürlich trotzdem nicht rechtzeitig gekümmert hat oder von Dingen, die man b) schon Ewigkeiten vor sich her schiebt, denen man aber nicht auf ewig ausweichen kann. Letztlich sind a) und b) identisch, das wird der findige Fuchs schnell begreifen, aber psychologisch könnten sie unterschiedlicher kaum sein. Während nämlich a) permanent wie eine dunkle Regenwolke über einem schwebt, kann man b) oft erfolgreich genug verdrängen, dass es einem beim plötzlichen Eintritt des Falls vorkommt, als wüsste man nicht, aus welcher Richtung man jetzt abgewatscht wird. Klar?
Dazwischen nisten und vermehren sich die kleinen Peiniger des Mittdreißiger-Lebens, Dinge, die in ihrer scheinbaren Nichtigkeit nicht einmal einen Platz im Terminkalender bekommen, die aber so viel Zeit und Raum einnehmen, dass sie insgeheim die Hosen anhaben, solcherlei Gedöns eben, dessen Spaßfaktor nur durch Tod und Seuche zu unterbieten ist.
So hetzt man aus dem Bett auf die Yogamatte unter die Dusche und über den Zahnarzt an die Arbeit. Von dort geht es weiter in die Besprechung, die sechzehnhundert Meter Fußmarsch entfernt stattfindet. Während dort alle irgendwas labern wird man per Mail-App an die Sache erinnert, die sich einfach nicht mehr schieben lässt und fängt an zu schwitzen. Der Weg zwischen Besprechung zurück zum Arbeitsplatz wird entlang strategisch erdachter Route für kleine Einkäufe missbraucht, die man – man hat ja vorgeplant und Unnötiges vor der Besprechung auf den Schreibtisch ausgeleert – auf den Millimeter genau in der Umhängetasche verstauen kann. Man schwitzt noch mehr. Der morgendliche Depot-Check fällt aufgrund des verbrecherisch frühen aber zu Gunsten des Arbeitsantritts derart terminierten Zahnarztbesuchs in den Abend, nachdem man Lebensmittel unterschiedlichsten Bearbeitungsgrads erst auf Tellern, dann auf Gabeln, dann auf Zungen und schließlich in Mägen deponiert hat. Nach diesem Tandem lebensnotwendiger Dinge – akutem Lebenserhalt gefolgt von panischer Rentenplanung – schmeißen die Schweißdrüsen verzweifelt das Handtuch. Rien ne va plus.
So lässt man sich denn schließlich auf der Couch nieder und während eine Hirnhälfte dem Geplärr auf dem Bildschirm eher halbherzig folgt, wedelt die andere mit dem erhobenen Zeigefinger, ach was, mit beiden erhobenen Zeigefingern: Die Welt geht unter, die Zeit ist knapp, das Fett setzt an, das Wissen wächst, die Aufführung läuft, Rendite winken, Ideen schwinden, Träume platzen UND DU SITZT HIER UND GLOTZT FERN?!?
Das ist ein einigermaßen schizophrenes Lebensgefühl.
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